Verteilnetzbetreiber automatisiert Einspeiseprozesse für Stromerzeugungsanlagen
Der Boom der privaten Stromerzeugung bringt für die Netzbetreiber große Herausforderungen mit sich. Das Nürnberger Unternehmen N‑ERGIE Netz GmbH setzt auf Digitalisierung und Automatisierung: Es nutzt die SAP BTP (Business Technology Platform) und eine agile Vorgehensweise, um die Prozesse rund um den Einspeiseantrag von erneuerbaren Anlagen zu optimieren. Bereits nach sechs Monaten wurde ein Automatisierungsgrad von rund 50 Prozent erreicht. Unterstützt wird das Unternehmen dabei von den Experten von cbs Corporate Business Solutions.
Die private Stromerzeugung insbesondere durch Photovoltaik ist für das Gelingen der Energiewende entscheidend und wird entsprechend staatlich gefördert. Bei dem fränkischen Verteilnetzbetreiber N-ERGIE Netz GmbH hat das zu einer Verdreifachung der Einspeiseanträge von 2021 bis 2023 geführt. Um den starken Anstieg langfristig bewältigen zu können, setzt die N-ERGIE Netz GmbH auf eine tiefgreifende Digitalisierung und Automatisierung des Einspeiseprozesses – unterstützt von dem externen Partner cbs Corporate Business Solutions.
„Unser Ziel ist es, flexibel auf die steigende Anzahl von Anträgen reagieren zu können, Kosten zu senken und gleichzeitig für unsere Kundinnen und Kunden die Bearbeitungszeit zu verkürzen. Dadurch können wir den Wandel hin zu einer nachhaltigen Stromversorgung bestmöglich unterstützen“
Leonie Fuchs, Prozessmanagerin Automatisierung und Product Ownerin bei der N‑ERGIE Netz GmbH.
SAP BTP als zukunftsfähige Digitalisierungsplattform
Nach einem positiven Proof of Concept startete das Projekt im Januar 2024. Die N-ERGIE Netz GmbH entschied sich, die SAP Business Technology Platform (BTP) als technologisches Herzstück der neuen Lösung zu verwenden. Diese fungiert mit den Lösungen SAP Integration Suite und SAP Build Process Automation als zentrale Middleware und Orchestrierungsplattform. Ausschlaggebend für die SAP BTP war auch die Anforderung, Zukunftsfähigkeit sicherzustellen. Die Ablösung des bestehenden CRM-Systems, in welchem die Prozesse der Sachbearbeitung ablaufen, steht bevor. „Es machte keinen Sinn in das alte System aufwendige Logiken zu implementieren. Wir legen den Fokus auf eine nachhaltige und flexible IT-Architektur. Altsysteme ablösen, neue Systeme anschließen – mit der BTP bleiben die Logiken und unsere Investition in Innovation langfristig erhalten”, so Leonie Fuchs.
Die technische Komplexität des Vorhabens ergab sich vor allem aus der Vielzahl der involvierten IT-Systeme: „Die Orchestrierung der einzelnen Schritte, die sequenziell hintereinander ausgeführt werden müssen, wird in vielen verschiedenen Backend Systemen ausgeführt, die alle etwas kleines zum großen Ganzen beitragen. Daten werden an vielen Stellen gesammelt und validiert”, erläutert Alexander Buchkremer, Projektleiter bei cbs Corporate Business Solutions. Allein innerhalb des N-ERGIE Konzerns mussten die Systeme verschiedener Unternehmensbereiche berücksichtigt werden. Hinzu kamen verschiedene externe Dienstleister, deren Systeme ebenfalls integriert werden mussten. Die Integration mittels der SAP BTP und eine effiziente IT-Systemarchitektur spielten daher eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Projekts.
Chancen für Prozessverbesserung agil nutzen
Das Team nutzte die Gelegenheit den Prozess grundlegend zu verbessern. „Wir wollten nicht einfach nur manuelle Schritte digitalisieren und dann automatisieren. Wir haben den Prozess komplett neu gedacht, damit er effizienter wird”, so Leonie Fuchs. Das Team hat sich für eine agile Vorgehensweise gemäß der Scrum Methodik entschieden. „Wir arbeiten in enger Abstimmung mit den Stakeholdern des Projekts in kleineren Schritten und Releasen. In unserem dynamischen Umfeld benötigen wir schnellen Mehrwert und Flexibilität. Die Gesetzeslage und Nachfrage können sich schnell ändern. Indem wir kontinuierlich releasen, können wir darauf gut reagieren”, sagt Mira Bollmann, Scrummasterin und Agile Consultant bei der N-ERGIE.
Der Prozess wurde in kleinere Teilprozesse unterteilt, die wiederum in „User Stories“ gegossen und dann Stück für Stück angegangen wurden. Zunächst automatisierte man den Einspeiseprozess für Anlagen mit weniger als 15 KW, der die größte Masse der Anfragen ausmacht.
50% Automatisierungsquote nach nur sechs Monaten
Der erste Release der Lösung ging bereits sechs Monate nach Umsetzungsstart Juni 2024 live. Der Masseprozess der Einspeiseanträge läuft seitdem automatisiert in der SAP BTP ab. Damit erreicht N-ERGIE bereits eine Automatisierungsquote von 50%, welche noch auf rund 60% gesteigert wurde. Fälle, die vom definierten Standard abweichen und gesondert betrachtet werden müssen, werden weiterhin individuell betrachtet und bearbeitet. Auch hier gibt es Effizienzgewinne: Die nötigen Informationen liegen übersichtlich und strukturiert vor.
„Mit der Automatisierung des Masseprozesses konnten wir unsere Ziele für das erste Release vollumfänglich erreichen. Dadurch können sich unsere Mitarbeitenden auf die komplizierten Fälle konzentrieren”, sagt Leonie Fuchs. Hinzu kommt ein finanzieller Vorteil: Die Kosten des Projekts haben sich bereits nach einem Jahr amortisiert. Die Ersparnis wird sich mit weiteren Releases und steigender Effizienz weiter erhöhen.
Wesentlicher Erfolgsfaktor war die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bereichen der N-ERGIE sowie cbs Beratern, welche alle von Anfang an Teil des agilen Teams waren. „Die enge Zusammenarbeit, die Scrum erzeugen soll, hat sehr gut funktioniert”, so Alexander Buchkremer. Gemäß der agilen Methode entwickelt das Team die Lösung kontinuierlich weiter und automatisiert weitere Prozesse. Der aktuelle Release befasst sich mit der automatisierten Netzverträglichkeitsprüfung.
Über die N-ERGIE Netz GmbH
Die N-ERGIE Netz GmbH zählt zu den großen Verteilnetzbetreibern in Deutschland, ihr Netzgebiet erstreckt sich über eine Fläche von 8.400 Quadratkilometern und beinhaltet neben dem Stadtgebiet Nürnberg weite Teile Mittelfrankens sowie angrenzende Gebiete.
Das Stromnetz der N-ERGIE Netz GmbH hat eine Gesamtlänge von ca. 29.000 Kilometer, das Fernwärmenetz ca. 350 Kilometer. Das Erdgasversorgungsnetz umfasst ca. 4.500 Kilometer und das Trinkwassernetz ca. 2.300 km.
Aktuell sind an das Stromverteilnetz der N-ERGIE Netz GmbH rund 100.000 erneuerbare Stromerzeugungsanlagen angeschlossen. Die Investitionen in das Niederspannungs-, Mittelspannungs- und Hochspannungsnetz steigen stetig an. Der dynamische Zubau von Erneuerbaren ist für Stromnetzbetreiber eine Herkulesaufgabe. Um die stetig steigenden Mengen regenerativ erzeugten Stroms aufnehmen und weitertransportieren zu können, wird die N-ERGIE ihr Stromnetz in den kommenden Jahren substanziell ausbauen und allein in das Stromnetz bis 2030 rund 1,3 Mrd. Euro investieren.